Jedem, der mit dem Phänomen BookTok bekannt ist, wird es aufgefallen sein: Die amerikanische Schriftstellerin Colleen Hoover ist im Moment wahnsinnig populär. Obwohl meine Liste mit Büchern, die ich noch lesen will, schon lang genug ist, konnte auch ich dem Hype nicht widerstehen. Ich wollte mal wissen, ob die Bücher wirklich so gut sind, wie man auf TikTok behauptet. Das machte ich anhand des Buches Reminders of Him. Und ja, ein tieferer Blick auf ein Buch aus ihrem Oeuvre verdeutlicht, warum Colleen Hoover ein solcher Hype geworden ist.
Die Wiederkehr von Kenna
Reminders of Him ist im April dieses Jahres veröffentlicht worden und bekam schon im Juli eine zweite Auflage. Die Erzählung handelt von Kenna, die nach fünf Jahren im Gefängnis ins normale Leben wiederkehrt. Sie kehrt zu dem Ort, wo alles schief ging, zurück; dem Ort, wo sie ihren Geliebten tötete. Sie hofft, Teil des Lebens ihrer Tochter sein zu können, aber wegen des Fehlers, den sie vor fünf Jahren begangen hat, ist niemand wirklich begeistert, ihr zu helfen. Eine entscheidende Rolle in diesem Prozess spielt Ledger. Kenna begegnet ihm am ersten Tag ihres Wiederkommens und sie erkennt ihn schon schnell als den besten Freund ihres Geliebten, Scotty. Ledger soll ein gutes Verhältnis zu ihrer Tochter Diem haben und ist also der Mann, den sie braucht, Diem sehen zu können.
Im Buch verfolgen die Lesenden die Rückkehr von Kenna und wie sie ihr Leben wiederaufbaut. Das alles wird abwechselnd aus den Perspektiven von sowohl Kenna als Ledger beschrieben. Am Anfang repräsentiert Ledger die Stimme der ganzen Gesellschaft: Kenna hat das Recht nicht, Diem zu sehen. Aber während der Geschichte lernt er Kenna kennen und zweifelt immer mehr daran, ob sie wirklich keine Rechte hat. Wird er ihr helfen, Diem kennenzulernen oder bleibt Kenna unglücklich zurück?
I have a daughter I have never held.
She has a scent I have never smelled.
She has a name I have never yelled.
She has a mother who has already failed.
– Kenna
Gedanken und Gefühle vs. Schreibstil
Die Perspektivenwechsel in der Geschichte können die Popularität Hoovers bestimmt erklären. Hierdurch sind die Kapitel nicht sehr / besonders lang, so ungefähr fünf bis zehn Seiten. Dies kann ein Stimulans für jüngere Lesende sein: Die Motivation , ein kurzes Kapitel zu lesen, ist größer. Weil sie auch leicht lesen, ist das Buch schnell zu Ende. Colleen Hoover weiß, wie sie die Lesenden zum Weiterlesen animiert.
Obwohl Reminders of Him ein Pageturner ist, brachte das Buch mich nicht ganz aus der Fassung. Der Schreibstil, womit die Variation im Satzbau und die Relevanz der Beschreibungen gemeint sind, ist nicht immer gut gelungen. An manchen Stellen ist es fast, als wäre es ihr erstes Buch , das sie geschrieben hat, als sie 16 Jahre alt war. Die Sätze stehen oft alleine, ohne logische Schlussfolgerung. Vor allem wenn Hoover eine Folge von Handlungen beschreibt, fällt es auf, dass sie oft dieselbe Satzstruktur – nämlich Subjekt, Verb, Objekt – nacheinander verwendet oder sogar irrelevante Handlungen darstellt. Dafür gibt es in jedem Kapitel ein Beispiel. Ein längeres Beispiel veranschaulicht dies: “I stand up and pace for the entire thirty seconds it takes her to make her way back to my office. I close the door behind her and then walk over to my desk and sit on the edge of it. She stands near the door, and her arms are folded. She looks nervous. I don’t mean to make her nervous. I point to the chair in front of me, and she walks hesitantly toward it and then sits.”
Between the catcalls and the sexual expectations,
I had lost complete faith in the male population of my generation.
– Kenna
Im Gegensatz zu den wenig gelungenen Beschreibungen der Handlungen, kann Colleen Hoover die Gefühle der Figuren so wiedergeben, dass der/die Leser:in mit den Figuren mitleidet. Diese Einfühlung ist für die Leser:innen noch extra anwesend, weil sie einen Zwiespalt erfahren: Wollen sie Mitleid mit Kenna haben oder überzeugt Ledger sie davon, dass sich der Fehler von Kenna nicht beschönigen lässt?
Diese Gefühle und Gedanken werden auch in Weisheiten und allgemeinen Aussagen wiedergegeben. Colleen Hoover bewirtet den/die Leser:in damit an Stellen, wo es passt, aber auch nicht zu auffallend ist. Die Aussagen haben oft etwas mit zeitgenössischen, gesellschaftlichen Problemen dieser Zeit zu tun. Zum Beispiel lesen wir: “Between the catcalls and the sexual expectations, I had lost complete faith in the male population of my generation.” Die jungen Leserinnen wissen ohne weitere Erklärung, was Hoover damit meint; sie deutet auf ein allgemeines Gefühl, das Mädchen erfahren und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Die Empfehlung vs. BookTok
Will ich es jemandem empfehlen? Vielleicht schon, aber nicht wie auf BookTok. Die Geschichte ist gut erfunden und der/die Leser:in leidet mit den Figuren mit. Aber BookTok ist bis über beide Ohren in Colleen Hoover und ihre Bücher verliebt. Man sieht vor allem Lesende weinen und schöne Zitate markieren. Ja, es gibt ergreifende Passagen mit emotionalen Zitaten, aber es scheint niemandem aufzufallen, dass andere Beschreibungen eintönig oder überflüssig sind. Also wenn dich das nicht stört, ist es bestimmt der Mühe wert.