RECENSIE – Bella Martha: Wie gut das Leben schmecken kann 

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Dieses Jahr ist es fünfzehn Jahre her, dass der Hollywoodhit No Reservations im Kino zu sehen war. Es wird allerdings oft vergessen, dass diese Tragikomödie – jetzt auch wieder trending auf Netflix – in Wirklichkeit eine Adaption des deutschen Bella Martha ist. Als Liebhaberin von Filmen, die die Grenzen zwischen Drama und Komödie verschieben, schien es mir also ein ausgezeichneter Moment zu sein, das Original unter dem Teppich hervorzuholen. Dieser von der deutschen Regisseurin Sandra Nettelbeck geschriebene Film war 2001 ein großer Erfolg in Europa, aber ist seitdem in Vergessenheit geraten. Schade, denn die subtile Kritik an Leistungsdruck wird heute immer aktueller. 

High-End-Gerichte gewürzt mit Trauma 

Der 109-minütige Film erzählt die Geschichte von Martha Klein (Martina Gedeck), einer Küchenchefin in einem französischen Restaurant in Hamburg. Ihre zielstrebige Besessenheit mit ihrem Kochhandwerk führt gelegentlich zu unangenehmen Konfrontationen mit Kunden – und der Welt im Allgemeinen. Marthas Leben nimmt aber eine dramatische Wendung, als ihre Schwester ums Leben kommt und ihre achtjährige Tochter Lina (Maxime Foerste) zurücklässt. Martha muss sich jetzt um ihre Nichte kümmern und mit dem neuen lebenslustigen Sous-Chef Mario (Sergio Castellitto), der am liebsten laut singt und plaudert in ihrer Küche, umzugehen lernen. Ein bisschen vorhersagbar geht das nicht so glatt, wie die Perfektionistin hofft.  

Die Darstellung der Geschichte ist auffallend gut gelungen. Bella Martha scheut die Klischees – wie Pasta fressende und „immer zu spät“ kommende Italiener, die die „hard to get“ spielenden Protagonistinnen das Leben zu lieben lernen – nicht, aber weiß das Publikum doch zu interessieren. Stärker als die Meisten von einem „romcom“-artigen Film erwarten würden, fokussiert Nettelbeck sich auf Marthas mentalen Problemen und dem schwierigen Verhältnis zu ihrer Nichte: Lina, die natürlich auch traumatisiert ist, ist nicht nur eine Nebenfigur, und die verschiedenen Vereinbarungen mit Marthas Psychologen bieten einen wichtigen Blick auf das interne Seelenleben der Chefin. Ihre langen Geschichten über wie man das perfekte Gericht zubereitet, enthalten zum Beispiel oft subtile Anspielungen darauf, wie sie die Welt erfährt und darin funktioniert. Öfter als das Remake, das Hollywoodweise auf der kommerziellen Ebene eher hungrig nach Erfolg ist, wagt Bella Martha es, nach den schweren Momenten im Leben zu tasten.

“Ein Hummer, der zu lange in einem Becken ist, frisst sich von innen heraus.“  Martha zu ihrem Psychologen

Ja Liebe, nein Burn-outs 

Der Film ist jedoch nicht nur eine Reihenfolge von Drama und Trauma. Die Interaktionen zwischen Lina und Mario führen oft zu witzigen Situationen, und Marthas langsam blühende Romanze mit diesem exzentrischen Italiener zeigt, dass die Chefin nach und nach lernt, sich zu öffnen. Die natürliche und ungezwungene Chemie zwischen den Schauspielern trägt dazu sicher bei. Darüber hinaus helfen auch verschiedene Nebenpersonen in dem Film, ein ausgewogeneres Bild zu schaffen. So hat die schwangere Sous-Chefin Lea auch eine symbolische und hoffnungsvolle Rolle: Es gibt Leben nach dem Tod. 

Auf diese Weise zeigt der Film, wie wesentlich es ist, das Leben zu genießen, statt nur obsessiv und fehlerlos zu arbeiten. Es ist nicht nur eine berechtigte Kritik an dem oft stressigen Arbeitsklima in der kulinarischen Welt, – wo Gerichte mit unglaublicher Geschwindigkeit zubereitet werden sollten und jeder mikroskopische Fehler kritisiert wird – sondern auch eine wichtige Lektion für das heutige Leben, wo Burn-outs, Stress und Arbeitsdruck manchmal fast normalisiert werden. Das 21. Jahrhundert ist ein Zeitalter, in dem man sich immer mehr beeilen muss, aber diesen Leistungsdruck sollte man doch etwas mehr in Frage stellen. 

Es ist leicht zu erkennen, warum der Film seinerzeit so gut ankam und es ist schade, dass er nicht die Bekanntheit des Remakes erreicht hat. Bella Martha ist ein besonders charmanter Film, der auf angenehme Weise eine Balance zwischen süßer Komödie und packendem Drama hält. Zwischen den Töpfen und Pfannen der Küche entdeckt der Betrachter: Innen auch die Höhen und Tiefen des Lebens und lernen, zusammen mit Martha, Lina und Mario, das richtige Gleichgewicht zu finden. Ein guter Film für einen gemütlichen Freitagabend mit Pasta und Pizza – oder vielleicht Lachs mit Safransoße. 

Originaltitel: Bella Martha 

Produktionsland: Deutschland, Italien, Österreich, Schweiz 

Erscheinungsjahr: 2001 

Genre: Drama, romantische Komödie  

Regie: Sandra Nettelbeck 

Laufzeit: 109 Minuten 

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